Alans Blog

Internet, Technik, Software, Elbmarsch.

Ich bin ein Adblocker

Ich nehme die aktuelle Eskalation im Bereich der Adblocker, auch Werbeblocker genannt, zum Anlaß, einen schon seit über einem Jahr hier schlummernden Artikel fertigzustellen und zu veröffentlichen. Er ist allerdings ein wenig länger geworden...

tl;dr ("Zusammenfassung"): Ich lehne Werbung im Internet aus diversen Gründen in der derzeitigen Form komplett ab und blocke daher konsequent sämtliche Werbung auf allen Webseiten. Falls darunter das ein oder andere "Geschäftsmodell" leidet, bedaure ich das sehr, aber solange den Konsumenten keine Alternativen angeboten werden, sehe ich das nicht als mein Problem an.

Was ist der aktuelle Anlaß?

Die Bildzeitung hat ihre Website für alle Benutzer gesperrt, die einen Adblocker verwenden. Die Technik scheint noch nicht sehr ausgereift zu sein, man kann die Sperre anscheinend mit ein paar einfachen Handgriffen umgehen: nicht nur die Werbung blocken, sondern auch JavaScript, dann geht die Seite wieder. Nicht daß ich jemals die Bildzeitung lesen würde (ich gehöre wirklich zu denjenigen, die nicht nur behaupten, sie nicht zu lesen, sondern es tatsächlich nicht tun), aber mit dieser Aktion wird die nächste Eskalationsstufe im schwelenden Werbestreit gezündet. Die Bildzeitung tut dies, obwohl rund 25% ihrer Besucher einen Abdlocker einsetzen, geht also das Risiko ein, den entsprechenden Anteil an Reichweite einzubüßen. Besonders perfide wird die Aktion der Bildzeitung dadurch, daß der Leser genötigt wird, seinen Abdlocker komplett abzuschalten, also nicht nur für die Bildzeitung, sondern für alle Webseiten (die spielen für ihre Überprüfung mit mehreren Domains, so daß der unbedarfte User vermutlich keinen Erfolg erzielt, wenn er nur die Bild-Domain im Adblocker freischaltet).

Man sollte außerdem im Hinterkopf haben, daß die Bildzeitung zum Springer-Verlag gehört und somit einerseits zu den Verfechtern des Leistungsschutzrechts (einem der besten Beispiele für ein Lobbygesetz, das sich immer mehr zum Rohrkrepierer mit allerdings heftigen Kollateralschäden entwickelt) und andererseits federführend ist bei einer großen Klagewelle gegen die Firma Eyeo, die mit Adblock Plus und der darin regelmäßig freigeschalteten "akzeptablen Werbung" die Wegelagerei des Mittelalters in die Neuzeit befördert hat. Nicht daß ich die Geschäftspraktiken von Eyeo gutheiße, ich halte die Firma und ihr Geschäftsmodell für so überflüssig wie einen Kropf, aber die Zielrichtung von Springer ist klar: man will Werbeblocker gerichtlich verbieten lassen. Bisher gingen alle Gerichtsverhandlungen aus wie das berüchtigte Horneburger Schießen, aber noch gibt Springer nicht auf.

Außerdem hat IAB, eine der großen Vereinigungen der Werbeindustrie, scheinheilig "Besserung" gelobt. Ich bin der Überzeugung, daß man sich hier nur schnell als Wolf einen Schafspelz überwirft, um die Internetnutzer zu beschwichtigen. Hier geht es schließlich um Milliardenumsätze, da geht es um Profite, nicht um weniger Werbung.

Ein weiterer Anlaß ist die in letzter Zeit großflächige Einblendung der FAZ auf allen Seiten, wenn man einen Abdlocker installiert und aktiviert hat. Hier wird man freundlich zum Abschalten des Blockers aufgefordert und darf, wenn man möchte, an einer Umfrage zum Thema Abdlocker teilnehmen. Was ich auch getan habe. Eine der Fragen lautet (sinngemäß): Unter welchen Umständen würden Sie Ihren Werbeblocker für die FAZ abschalten? Meine Antwort ist eindeutig: unter gar keinen.

Und diese Gründe möchte ich hier etwas näher erläutern, aber dazu muß ich ein wenig in die Geschichte des Internets einsteigen.

Ich nutze seit Mitte der 90er Jahre das Internet wie wir es heute kennen ("WWW"), bin also (fast) seit den Anfangstagen dabei. Ich habe selbst diverse (private und öffentliche) Websites betrieben, Kunden beraten, einigen Blogs (die man damals noch nicht Blogs nannte) als technischer Berater zur Seite gestanden und mich schon früh mit Werbung und anderen Möglichkeiten der Finanzierung beschäftigt. Online-Bezahldienste wie PayPal oder Flattr gab es damals nicht. Wenn wir damals ein neues Projekt gemacht haben, ging es allerdings an letzter Stelle um den Profit, sondern meist darum, die Inhalte so preiswert wie möglich online zu bringen. Wir haben Websites erstellt, um uns wichtig oder interessant erscheinende Dinge zu veröffentlichen, haben "gebloggt" (auch den Begriff gab es noch nicht), weil wir Neuigkeiten in die noch neue Welt des "World Wide Web" bringen wollten, und haben dabei entweder auf kostenlose Dienste wie Tripod und Geocities oder auf (teuer) bezahlte eigene Domains und Webspace gesetzt. Tripod und Geocities finanzierten sich über kleine Werbebanner, die man billigend in Kauf nahm, da im Gegenzug der Betrieb der Website kostenlos war. Die Banner waren überschaubar, entweder oben oder unten am Rand, gelegentlich bewegten sie sich, waren aber geräuschlos und störten nicht über Gebühr. Die Werbung erschien uns angemessen - dafür erhielten wir als Betreiber der Seiten schließlich auch eine Gegenleistung, nämlich kostenlosen Webspace.

Gegen Ende der 90er Jahre fing die Werbung auf vielen Websites aber an, unerträglich zu werden. Ich weiß nicht mehr genau, wann mich die erste Werbung lauthals antrötete, aber spätestens da war es mit meiner Geduld am Ende. Die erste Sperre war eine handgetippte hosts-Datei auf dem Computer, der die Internet-Verbindungsfreigabe im LAN übernahm. Angenehmer Nebeneffekt: die Werbung war auf allen angeschlossenen PCs weg, und die schmale ISDN-Bandbreite (64 kBit/s) stand komplett den Inhalten zur Verfügung. Nachteil: Webseiten sahen manchmal etwas zerrupft aus, aber zu Zeiten von "optimiert für IE 6" war man Kummer gewöhnt.

Dann kam der Siemens Webwasher. Ein geniales Stück Software, das dem händischen Gefrickel ein Ende setzte und dessen Filterliste immer halbwegs aktuell war. Außerdem zeigten grafische Rahmen an, wo er etwas weggefiltert hatte, so daß die Seiten nicht mehr ganz so zerrissen aussahen.

Gelegentlich schaltete ich (testweise) den Filter aus, oder ich surfte bei Freunden und Bekannten ohne Filter. Flashwerbung trat ihren "Sieges"zug an, sogar auf seriösen Seiten wie heise.de gab es blinkende und tönende Werbung und lästige Backdrops, die einen bei jedem unbedarften Klick in den vermeintlich leeren Seitenrand zum "Werbepartner" weiterleiteten. Auf den damaligen Rechnern lief der Browser bereits bei nur wenigen geöffneten Seiten meist mit 100% CPU-Last, der Lüfter röhrte, das alles nur für die Werbung. Noch ätzender waren Popups mit gefälschten Schließen-Buttons oder großflächige Videos oder Animationen, die man gleich gar nicht schließen oder überspringen konnte. Eine wahre Pest! Ich war jedesmal froh, wenn ich den Filter aktiviert hatte, und fing an, Freunde, Verwandte und Kunden davon zu überzeugen. Der Werbefilter war bald so wichtig geworden wie ein Virenscanner (inzwischen ist er noch wichtiger, dazu später mehr).

Nach dem Webwasher kamen Adblock und seine Derivate. Seit einigen Monaten tobt ein heftiger Kampf, der von allen Seiten mit großer Arroganz und Rücksichtslosigkeit ausgetragen wird. Es geht hierbei um zig Milliarden Euro für die Werbebranche, und für kleine Blogs geht es teilweise um die nackte Existenz. Manchmal mogeln sich Betteltexte am Blocker vorbei, und man will freundlich sein und schaltet die Seite frei - nur um dann wieder von einer Werbelawine zugeschüttet zu werden und den Blocker schleunigst wieder einzuschalten.

Nach Adblock, Adblock Plus (bis zur Einführung der Option "akzeptable Werbung erlauben") und Adblock Edge bin ich nun in meinem Firefox-Browser bei einer Kombination aus uBlock Origin, NoScript, RequestPolicy, BetterPrivacy und Ghostery gelandet. Damit ist mein Interneterlebnis praktisch komplett werbe- und trackerfrei. Der kleine Rest lokal beim Seitenbetreiber gehosteter Text- oder nicht animierter Grafikwerbung, der davon nicht weggefiltert wird, stört mich nicht weiter.

Was sind die Nachteile von Werbung im Internet für den Nutzer?

Da ist zunächst der oben schon kurz angesprochene "Nervfaktor". Ich denke, kaum jemand hat etwas gegen die dezente Textwerbung von Google bei den Suchergebnissen (sofern man Google noch nutzt, aber dazu in einem späteren Artikel mehr), oder gegen einen eindeutig als "gesponsort" erkennbaren Artikel mit interessantem Inhalt auf einem Blog. Was aber gar nicht geht sind Blinken, Flackern, Tröten, plötzlich einsetzende laute Musik oder sonstiger Lärm, Popups, Popunders, den Benutzer mit gefälschten Buttons absichtlich in die Irre führen, Werbung die nach dem Schließen der Seite geöffnet wird und sonstiger Schrott. Das scheint die Werbemafia noch nicht begriffen zu haben: Werbung in einer Zeitung oder Zeitschrift bleibt im Kontext dieses Mediums. In einer Zeitung oder Zeitschrift flackert, blinkt und trötet nichts. Da kommt kein Werbebanner auf den Tisch, sobald man die Zeitung weglegt, da öffnet sich kein Video, wenn man umblättert. An statische Werbung in Printmedien hat man sich gewöhnt, da liest man drüber hinweg und gut ist. Und wenn man die Werbebeilagen nicht anschauen will, wirft man sie weg. Gegen Postwurfsendungen jeglicher Art hilft ein Aufkleber "bitte keine Werbung" am Briefkasten, und schon ist man das Altpapier auch los. Aber, ehrlich, liebe Werbemafia, im Browser muß man diesen ganzen Multimedia-Mist ertragen? Nicht Euer Ernst, oder? Auf vielen Seiten muß man ja schon Angst haben, daß einem die Werbung wie eine Schiffsladung Silvesterböller um die Ohren fliegt, wenn man ein zunächst harmloses Popup-Fenster mit Klick auf das kleine rote "x" rechts oben schließt. Nein, natürlich dient das "x" nicht dazu, das Fenster zu schließen, dazu seid Ihr viel zu dreist! Der User ist der Dumme, der wird nach seinem Klick mit lautem Tschingderassatrööt auf irgendeine grenzdebile Werbeseite umgeleitet, die dann alles daransetzt, den User bloß nicht wieder gehen zu lassen. Der User schließt den Browsertab? Machen wir doch einfach einen neuen auf, der noch mehr Werbemüll lädt! Der User wechselt zurück zu seiner Ursprungsseite? Knallen wir doch einfach noch ein Popup drüber, ein Popunder drunter, unterlegen das Ganze noch mit infernalischem Lärm und verdecken sämtliche sinnvollen Inhalte auf der Seite! Der User drückt den "Zurück"-Button in seinem Browser? Nix da, wofür gibt es JavaScript, das lädt denselben Dreck gleich nochmal! Der User möchte sich irgendwo ein 20-Sekunden-Filmchen ansehen? Schalten wir doch einfach ein schwachsinniges 60-Sekunden-Werbevideo mit irgendwelchen talentfreien Laiendarstellern davor, das er nicht überspringen kann! Genau diese dummfreche Arroganz hat dazu geführt, daß ein großer Teil der Internetnutzer Euch den virtuellen Stinkefinger zeigt. Ihr habt es verbockt, aber natürlich haltet Ihr Euch weiterhin für die Unschuld vom Lande. Eure letzte schwachsinnige Idee ist, beispielsweise auf Nachrichtenseiten Links zu Werbung so in die Liste der "empfohlenen Artikel" einzuflechten, daß das aussieht wie ein Link zu einem normalen Nachrichtenartikel, der Hinweis auf die Werbung dabei kaum wahrnehmbar in hellgrauer 5-Pixel-Schrift. Und wenn man versehentlich darauf klickt, wird die volle Werbungsbreitseite gezündet. Blödbommel! Saubande, schwachsinnige! Da hilft nur: Blocker an, Ruhe im Karton.

Der zweite Nachteil ist das Tracking. Wenn es denn nur das Gezappel, Geblinke und Getröte wäre, darüber könnte man als aufgeklärter Internetnutzer vielleicht noch hinwegsehen, aber daß die Werbefuzzis einen auch noch auf Schritt und Tritt im Internet verfolgen, geht überhaupt nicht. Ach, Sie waren gerade bei Shop xy und haben sich ein neues Smartphone angesehen? Na, dann blenden wir Ihnen doch gleich auf den nächsten Seiten ein bißchen Werbung zu dem Thema an. Ach, Sie haben gerade nach Medikament xy gesucht? Wie wäre es mit ein bißchen Spam im Postfach, passend zur Krankheit? Bleibt mir bloß an Land, Ihr Strolche und Hausierer! Ich will nicht neben der NSA und dem BND auch noch von irgendwelchen zwielichtigen Werbekonzernen durchleuchtet werden, es geht Euch gar nichts an, wohin ich surfe, was ich lese, wonach ich suche und was ich mir kaufe oder nicht. Finger weg von meinen Daten! Also wird alles an Tracking-Domains geblockt. Daß damit Eure Werbung auch nicht mehr geht, weil der Mist von denselben Servern kommt, paßt da eigentlich ganz gut, quasi zwei Fliegen mit einer Klappe.

Der dritte Nachteil ist die Sicherheit. Viele Werbe-Server werden zwischendurch immer wieder von Cyberkriminellen als Virenschleuder mißbraucht (die Werbung selbst enthält dann einen Virus, der den Computer des ahnungslosen Surfers befällt). Da wird der eigene Rechner dann ganz schnell zum Spambot, nur weil irgendein Werbefuzzi seine Technik nicht im Griff hat. Konsequenzen hat es da bisher nie gegeben, die Werbemafia macht schulterzuckend weiter wie bisher, die infizierten Rechner der nichtsahnenden Besucher werden bestenfalls als Kollateralschaden betrachtet. Mich wundert das nicht weiter, denn die Geschäftsmodelle sowohl der Malware-Programmierer als auch der Werbebranche sind vergleichbar: in der Grauzone des Internets mit zwielichtigen Methoden Kohle scheffeln. Die Website-Betreiber, mit deren Seiten die Werbung schlußendlich ausgeliefert wird, haben außerdem keine Handhabe gegen Schadsoftware, die vom Werbe-Server kommt, sind also doppelt gekniffen, wenn ein Besucher nur deswegen seinen Adblocker einschaltet. Hier würde ich mir generell mehr Rückgrat der Website-Betreiber wünschen: wenn ein Werbepartner unangemessene Inhalte ausliefert, hat dieser die Konsequenzen zu tragen. Die meisten Printmedien haben eine extra Werbeabteilung, die darauf achtet, daß einerseits die Inhalte der Zeitung oder Zeitschrift nicht von den Wünschen der Werbepartner abhängig gemacht werden (Ausnahmen bestätigen hier natürlich die Regel!), und die andererseits verhindert, daß unangemessene Werbung ins Blatt kommt. Im Internet sehe ich da wenig Initiative seitens der Inhaltslieferanten, zumindest wird darüber selten offensiv berichtet. Das wäre doch mal eine Schlagzeile: "Große Online-Tageszeitung kündigt Werbepartner, weil dieser Schadsoftware über seine Server ausgeliefert hat". Kommt nur leider nicht. Also bleibt der Blocker auch für diesen Zweck an. Win-Win, zumindest für mich - keine Werbung, keine Viren.

Der vierte Nachteil ist die Bandbreite. Gerade wenn man Mobil unterwegs ist, hat man meist nur eine begrenzte Datenmenge pro Monat. Und wenn das Kontingent verbraucht ist, surft man wieder wie im Mittelalter (also in diesem Fall wie in den 90ern - been there, done that, das habe ich hinter mir). Da ist man über jedes beizeiten gesparte Bit froh, und weil nervende Werbung oft einhergeht mit üppigen Grafiken und Videos, wird das eben alles konsequent weggefiltert. Das geht unter Android schon seit Jahren mit Firefox und den entsprechenden Plugins, und seit der Einführung von iOS 9 geht das endlich auch für die iPhone-Geplagten. Und schon bricht Krieg vom Zaun - siehe oben, das Timing der Bildzeitung könnte kaum besser passen. Daß viele iOS-Werbeblocker-Apps allerdings auf den Eyeo-Zug aufspringen und sich somit auf die dunkle Seite der Macht schlagen, stört bestenfalls den Nutzer, nicht aber den Plugin-Programmierer, der sich doppelt die Taschen füllt, indem er gegen einen "kleinen" Obolus von Eyeo die vermeintlich "akzeptable Werbung" durchläßt. Also: Augen auf beim Filterkauf! Man kann übrigens je nach angesurfer Webseite bis zu 50% Datenmenge sparen. Statt beispielsweise 2 GB braucht man dann nur noch 1 GB im Monat, das entspricht je nach Mobilfunkanbieter bis zu 10 Euro potentieller Ersparnis. Umgerechnet 120 Euro im Jahr. Merkt Ihr was, Ihr Werbeheinis? Warum soll ich für Euren Müll eigentlich noch bezahlen?

Der fünfte und letzte Nachteil ist, daß sich aufgrund der verkrusteten Strukturen der Werbemafia seit Jahrzehnten keine alternativen Geschäftsmodelle entwickeln konnten. Die Werbeagenturen werden sich definitiv nicht darauf einlassen, eine gut laufende Website aus Ihren Fängen zu entlassen, selbst wenn die Nutzer für die Inhalte bezahlen wollen. Ausnahmen bestätigen die Regel, aber bei den meisten Websites gibt es auch für zahlende Kunden noch den ein oder anderen Werbehappen. Und getrackt wird natürlich auch fleißig, wo kämen wir denn da hin, wenn wir nicht mehr wüßten, wo sich der liebe Surfer gerade herumtreibt? Da könnten wir ja gar nicht mehr so schicke Profile anlegen und ihn an anderer Stelle "passend" belästigen!

Um das mit dem Geschäftsmodell zu erklären, mache ich einen kleinen Ausflug in die Musikgeschichte. Dort begann vor mehr als 15 Jahren ein ähnlicher Krieg zwischen Anbietern und Nutzern, nur daß da die Werbemafia fehlte. Das Internet hatte Filesharing ermöglicht und war somit technisch grundsätzlich bereit für die Distribution von Medien in digitaler Form. Die Musikindustrie allerdings verschloß ganz fest die Augen: kennen wir nicht, brauchen wir nicht, weg damit. Jeder Nutzer einer Tauschbörse wurde als "Raubkopierer" verfolgt und verklagt, teilweise existenzvernichtend. CDs wurden über Jahre hinweg mit dilettantischen "Kopier"schutzverfahren versehen, die im "besten" Fall den Käufer des Originals benachteiligten, das Anfertigen einer Kopie aber in der Regel nicht verhinderten. Es gab umfangreiche Listen im Internet, welche CD sich mit welchem Laufwerk und welcher Software problemlos kopieren ließ, andererseits gab es eine Vielzahl von handelsüblichen CD-Playern, die mit den kopiergeschützten Original-CDs nicht zurechtkamen, so daß die Besitzer einer solchen CD oft in die Röhre guckten. Die Kopie lief dafür umso besser.

Aber Musik legal online anbieten? Warum das denn? Gegen Bezahlung? Wie soll das denn gehen? Womöglich noch billiger als eine CD, für die wir dem Kunden 20 Euro abknöpfen und von der wir richtig satt leben können? So ein Unfug! Doch dann brach wie zu erwarten (für die Musikindustrie allerdings "vollkommen überraschend") der CD-Markt zusammen (dagegen ist der aktuelle Kursverlust von VW ein Witz!), und Apple rollte mit iPod und iTunes den Markt von hinten auf. Wie wurden sie anfangs belächelt! Laß die Computerfuzzis mal machen, dachten sich die Plattenbosse und träumten weiter von den goldenen Zeiten, als das Internet noch in den Kinderschuhen steckte. Zunächst gab es digitale Musik nur mit DRM (ein weiterer Rohrkrepierer der Geschichte, durch dieses Tal der Tränen wird auch die erkenntnisresistente Buch- und Filmindustrie noch zu gehen haben), inzwischen fast nur noch ohne. Es geht also. Ich kenne keine genauen Zahlen, aber zumindest zählen jetzt keine Ausreden mehr: wenn jemand Musik online haben möchte, kann er sie bei vielen Händlern legal und - meiner Meinung nach - zu einem angemessenen Preis erwerben. Und ganz offensichtlich ist die Musikindustrie glücklich. Das hätte sie allerdings auch schon vor 15 Jahren haben können, ohne vorher ihre eigenen Kunden erst zu ignorieren und dann zu beleidigen und zu verklagen.

Es sind viele Gemeinsamkeiten zur aktuellen Werbediskussion erkennbar: die Nutzer wollen angeblich nur schmarotzen, die Anbieter jammern über fehlende Einnahmen. Statt daß nun die Anbieter über ihr ganz offensichtlich gescheitertes Finanzierungsmodell nachdenken, werden die Nutzer kriminalisiert, beschimpft und drangsaliert. Alle Adblock-Nutzer sind Diebe, Sozialschmarotzer und Gauner, die sich die teuer produzierte Leistung kostenlos erschleichen! Jawollja! Die müssen unsere schöne Werbung angucken, sonst ziehen wir vor Gericht! Oder sperren sie aus!

Im Werbekrieg ziehen allerdings noch diverse weitere Teilnehmer aufs Schlachtfeld, die bei der Musikdebatte gefehlt haben: Werbekunden (die hier momentan die einzigen sind, die Geld in die Maschinerie werfen) und Werbeagenturen. Und, nicht zu vergessen: Eyeo mit Adblock Plus und dem dazugehörigen mafiösen Geschäftsmodell "zahle Summe x, dann lasse ich Deine Werbung doch durch". Widerliche Wegelagerer!

Überall in der Verwertungskette wird kräftig zugelangt (bei Eyeo / Adblock Plus redet man von zweistelligen Millionenbeträgen, bei Google und Facebook sind es Milliarden, die fast ausschließlich mit Werbung erwirtschaftet werden), und der Betreiber der Website darf mit den Bröckchen zufrieden sein, die ihm der Werbevermarkter hinwirft. Nebenbei wird der Besucher bis auf die Unterwäsche durchleuchtet, wovon außer der Werbemafia niemand profitiert, im Gegenteil, diese kann anhand der detaillierten Nutzerprofile die Werbeplätze noch teurer vermarkten ("Da hat jemand nach irgendeiner Krankheit gesucht, dem zeigen wir jetzt mal das passende Medikament!"). Den Seitenbetreiber interessiert das in der Regel nicht, Hauptsache er bekommt seine Centbruchteile je Banner, wie ein Hund, dem Herrchen ein Leckerli hinwirft, wenn Wauwi nur immer brav das Stöckchen holt.

Es geht also, wie damals bei der Musik, prinzipiell darum, daß irgendjemand anfängt, über seinen eigenen Schatten zu springen. Da die Werbebranche inzwischen der dreisteste Datensammler und Profiler nach der NSA ist und ich sie aufgrund der horrenden Profite auch nicht für kompromißbereit halte, liegt es nun an den Nutzern und den Anbietern. Ich kann hier nur für mich selbst sprechen: ich crowdfunde gern, was mich interessiert, und ich habe in den letzten Jahren neben einigen Projekten bei Kickstarter und Co unter anderem für Wikipedia und FreeBSD gespendet. Keine maßlosen Summen, aber man kann auch mit kleinen Beträgen etwas bewegen.

Und da ich auch für Software, Spiele, Apps, Musik, Filme, Zeitschriften, Bücher, meinen Webserver und meinen Mailprovider Geld ausgebe, habe ich kein Problem damit, für Angebote im Web etwas zu bezahlen. Ich werde mich aber keineswegs gegenüber der Werbemafia entblößen oder mich von krawalliger Werbung nerven lassen. Das Vertrauen haben sowohl die Werbenden als auch die Inhalteanbieter bei mir endgültig und nachhaltig verspielt, der Adblocker bleibt an, zur Not helfe ich auch wieder mit komplett geblockten URLs oder mit angepaßtem CSS nach.

Aber es muß doch auch Vorteile von Werbung im Netz geben?

Da werden jetzt ganz viele Leute ganz laut "Ja!" schreien. Sicher gibt es die! Jede Menge kostenlose News! Unabhängige Blogs! Kleine Seiten, die ohne Werbung nie überleben können! Und den Qualitätsjournalismus nicht vergessen! Katzenvideos! Und natürlich ganz viele tolle "Filmchen" für Erwachsene! Das wäre alles ohne Werbung gar nicht finanzierbar! Siehst Du das denn gar nicht?

Meine Antwort ist ganz klar: nein. Ich sehe keinerlei Vorteile durch Werbung im Netz, jedenfalls nicht in der derzeitigen Form. Es sind einfach zu viele Straßenräuber, die auf dem Weg des Geldes vom Werbekunden (die Firma, die für ein Produkt Werbung macht und dafür bezahlt) zum Seitenbetreiber (der, der die tatsächlich vom Leser angesteuerten Inhalte produziert) die Hand aufhalten. Und von diesem Geld, das in den Kreislauf reingeworfen wird, bekommt derjenige, der wirklich dafür arbeitet (in diesem Fall: der Betreiber der Website oder des Blogs), nur ein paar Krumen ab. Die wirklich großen Beträge bleiben woanders, unter anderem bei Google (rund 95% des Umsatzes in Höhe von 66 Mrd US-$ im Jahr 2014, davon fast 14,5 Mrd US-$ Gewinn) und Facebook (praktisch der gesamte Umsatz von beinahe 12,5 Mrd US-$ 2014, davon fast 3 Mrd US-$ Gewinn). Von solchen Renditen können andere Branchen bestenfalls träumen!

Und, wie gesagt, diese Situation sorgt dafür, daß sich niemand traut, ein anderes Geschäftsmodell auszuprobieren. Die Werbegeier haben sich im Netz so breit gemacht, daß für neue Ideen kein Platz zu sein scheint, und so hängen wir alle am Tropf der Werbemafia. Außer wir blockieren deren ganzen Dreck konsequent. Was zu beweisen war.

Also, liebe Autoren, Verlage, Blogger, Künstler, Fotografen: Wenn Ihr an mir etwas verdienen wollt, macht mir ein vernünftiges Angebot. Ohne Werbung, ohne Tracking, ohne mich zu drangsalieren oder kriminalisieren, so wie es die Musikindustrie auch mühsam lernen mußte. Ansonsten sperrt mich ruhig aus, dann habt Ihr eben einen Leser weniger. Daran werden weder Ihr noch ich zugrunde gehen, aber Ihr werdet schon merken, wenn die kritische Masse abwandert - es gibt genug Leute da draußen, die nicht des schnöden Mammons wegen im Internet publizieren. Und wenn eine große Tageszeitung für einen einzigen Artikel aus dem Archiv von Anno Dunnemal den Preis eines kompletten gedruckten Exemplars dieser Zeitung aufruft - tut mir leid, das ist kein "vernünftiges Angebot", das ist pure Blödheit.

Und ganz speziell für alle Blogger da draußen: Ja, ich respektiere, daß viele von Euch hervorragende Artikel verfassen, daß Ihr oft besser recherchiert als es die Presse tut, und daß Ihr wirklich viel Herzblut und Lebenszeit investiert. Aber es ist wie so oft im Leben: Wenn man von seinem Hobby oder seiner Berufung nicht leben kann, muß das Geld woanders herkommen. Ich wünsche Euch dabei viel Erfolg, aber auch bei Euch bleibt mein Adblocker an. Es gäbe natürlich etliche Alternativen, die vermutlich auf Anhieb nicht so viel und vor allem so regelmäßig Einnahmen generieren wie es ein bunter Strauß an Werbung tut: Flattr, Paypal-Spendenbutton, ein Bitcoin-Konto, ein Amazon-Wunschzettel (nein, bitte kein Amazon-Affiliate-Link!), oder für besonders gut recherchierte Artikel oder einzigartige Inhalte eine Paywall. Es könnte natürlich das Publizisten-Ego beeinträchtigen, wenn man dann mitbekommt, wie wenig (Geld) die Leserschaft für die mühsam recherchierten Artikel tatsächlich zu geben bereit ist. Aber keine Sorge, solange auch die Profis von Focus öffentlich eingestehen, daß sie ihre Online-Redaktion im großen Stil mit Reiseportalen und Partnervermittlungen quersubventionieren müssen, sollte Euch das nicht zu sehr bedrücken.

Mein eigenes Blog bleibt dauerhaft werbe- und trackerfrei, denn mein Geld kommt woanders her - dafür schreibe ich etwas seltener. Und es interessiert mich herzlich wenig, wie viele (oder eher wenige) Besucher ich habe - getrackt oder gezählt wird hier nichts und niemand.

Wenn Ihr, liebe Leser, regelmäßig bestimmte Nachrichtenportale, Websites oder Blogs lest, schaut nach, ob es dort einen Spenden-Button oder die Möglichkeit eines Abos gibt. Wägt ab, was Euch die Inhalte wert sind, und bezahlt dann dafür. Ihr klaut ja auch keine Zeitung am Kiosk und keine CD im Laden, oder? Und wenn Euch das mit dem Tracking nicht stört (das finde ich persönlich ja am schlimmsten), dann könnt Ihr bei den meisten Adblockern auch Eure "Lieblingsseiten" freischalten. Ich lasse, wie gesagt, meinen Blocker überall an.

Plugins für Firefox

uBlock Origin - sehr empfehlenswert, funktioniert bereits "out of the box" ganz gut. Um die beste Wirkung zu erzielen, sollte man aber wissen, welche Filter man einschaltet. Dann bekommt man sogar die lästigen EU-Cookie-Popups weg. Anleitung lesen!

BetterPrivacy - entfernt Langzeit-Flash-Cookies beim Beenden von Firefox. Noch besser ist es natürlich, Adobe Flash komplett zu deinstallieren, das ist ein permanentes Sicherheitsleck. Ja, YouTube geht inzwischen ohne Flash, schlimmstenfalls muß man den Browser-Cache löschen und einmal den Browser neu starten.

Ghostery - nur als Zusatzlösung empfehlenswert, unbedingt die Rückmeldungs-Funktion "Ghostrank" abschalten, sonst wird man von Ghostery selbst getrackt und hat quasi statt Pest die Cholera am Hals.

NoScript - hier sollte man wissen was man tut, sonst funktionieren u.U. einige Websites nicht mehr richtig. Man kann aber praktisch alles "live" konfigurieren, und mit ein bißchen Übung ist das sehr hilfreich.

RequestPolicy - der Vorschlaghammer unter den Blockern, räumt bei Bedarf alles weg, was die anderen übersehen haben könnten. Läuft bei mir im restriktiven Modus, ist dann aber u.U. etwas mühselig zu konfigurieren (geht aber auch direkt während auf der entsprechenden Website ist). Prinzip dieses Plugins: lasse nichts durch, was nicht von derselben Domain kommt. Es ist faszinierend, wieviel einige Seiten von anderen Domains nachladen!

Empfehlungen für andere Browser

Achtet darauf, daß der von Euch genutzte Adblocker nicht mit Eyeo / Adblock Plus kooperiert. Deren Geschäftsmodell der digitalen Wegelagerei in Form von "akzeptable Werbung gegen Bezahlung durchlassen" ist meiner Meinung nach komplett abzulehnen, da es kein Problem löst, sondern nur einer weiteren Gruppe von Schmarotzern die Taschen füllt.