Alans Blog

Internet, Technik, Software, Elbmarsch.

40 Jahre Microsoft

Am 4.4.1975 wurde Microsoft gegründet, zumindest legt das eine Mail von Bill Gates nahe. An dieser Stelle herzlichen Glückwunsch nachträglich, Mr. Gates, und ich will mich nicht in die Riege der Dauernörgler einreihen, die wahlweise "mit Linux wäre das nicht passiert" oder "Apple ist sowieso besser" skandieren.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um aus meiner Sicht einige Mythen zu entkräften und einige andere zu bestätigen.

Mythos 1: Windows ME war Dreck. Es stürzte dauernd ab, war instabil, und XP war die Erlösung.

Unsinn. Windows ME kam zu einer Zeit auf den Markt, als die User anfingen, verstärkt auf "Geiz ist Geil" zu setzen. Es war die Zeit der gefälschten Pentium-Prozessoren und des billigen Arbeitsspeichers. Und es war die Zeit, als Mainboards eine Halbwertszeit von 6 Monaten bekamen, danach wurde das Nachfolgemodell auf den Markt geworfen. Größere Markenhersteller wie ASUS oder Gigabyte lieferten falls erforderlich noch nach Jahren BIOS-Updates aus, aber kleinere Hersteller witterten die schnelle Mark (ja, das Drama begann vor der Euro-Einführung) und warfen unausgegorene Produkte ohne nennenswerten Support auf den Markt. Und das war die Keimzelle für den schlechten Ruf von Windows ME: ein Board mit einem hastig zusammengeklöppelten BIOS, das nicht in der Lage war, das vollkommen euphorisch konfigurierte RAM richtig zu erkennen - dieses wurde nämlich mit besseren Timing-Werten versehen und beworben, um ahnungslosen Kunden den letzten Mist andrehen zu können. Es gab unter anderem von der c't entsprechende Tools, die das SPD-ROM (hat nichts mit der Partei zu tun, sondern mit den technischen Daten des RAMs) korrekt auslesen konnten, und da sah man oft genug die abenteuerlichsten Werte, die nichts mit den tatsächlich auf dem Riegel vorhandenen Chips zu tun hatten. Stellte man das BIOS manuell auf die tatsächliche (niedrigere) RAM-Geschwindigkeit ein, liefen die meisten dieser billig bestückten PCs absolut unauffällig. Nur in seltenen Fällen war ein Tausch des RAMs oder des Boards fällig. An Windows ME lag es praktisch nie.

Mythos 2: XP ist das beste Windows aller Zeiten.

Nunja. Zumindest ist es das bisher langlebigste. Davor gab es Windows 2000 (saustabil, aber für Spiele vollkommen ungeeignet) und Windows ME, das rückwirkend per Mythos zum schlechtesten Windows erklärt wurde. Auf XP folgte Vista, das ich selbst als das schlimmste Windows aller Zeiten bezeichnen würde - so oft wie unter Vista ist mir noch nirgends der Windows Explorer abgestürzt. Und zwischen diesen drei Windows-Versionen erscheint XP natürlich vielen Usern als herausragend gut, und außerdem trägt das Mantra "früher war eh alles besser" seinen Teil zum guten Ruf von XP bei. Leider brachte XP uns allerdings auch den Internet Explorer 6...

Mythos 3: Internet Explorer 6 ist der schlechteste Browser aller Zeiten.

Ja. Das Problem ist nicht, daß er zum Erscheinungstermin sonderlich schlecht war (damals legte noch niemand sonderlich Wert auf standardkonformes HTML), sondern daß er einige elementare Dinge komplett falsch darstellte - der berühmt-berüchtigte Box Model Hack kann ein längeres Liedchen davon singen. Dieser Bug in Kombination mit dem langen Leben von Windows XP und der Tatsache, daß viele Firmen im Intranet ausführlich Gebrauch von ActiveX machten, was mit anderen Browsern nicht funktionierte, führte zu einer Langlebigkeit, die inzwischen sogar Microsoft peinlich ist. Und wer erinnert sich nicht an die Browserkriege, wo die eine Fraktion ihre Websites mit schicken Logos "optimiert für IE6" schmückte (oft in Kombination mit "funktioniert am besten bei 800x600 Pixeln"), während weitsichtigere Webdesigner auf ihre Seiten schrieben "funktioniert in jedem Browser" oder "W3C-kompatibel" (wobei letzteres im Regelfall bedeutete, daß die Seite im IE6 nicht besonders toll aussah, denn Standards waren für den IE6 irrelevant). Zum Glück ist diese Pest inzwischen weitgehend verschwunden, auch unter XP läuft mittlerweile der IE8, der zwar nicht alles richtig macht, aber zumindest standardkonforme Seiten korrekt(er) darstellen kann. Und wer auch nur ein wenig von seinem Stolz bewahrt hatte, stieg sowieso früher oder später auf andere Browser um wie Mozilla oder Opera.

Mythos 4: Windows ist das unsicherste Betriebssystem.

Jein. Windows XP mag für diesen Ruf gesorgt haben, und die Gründe dafür sind meiner Meinung nach folgende: XP führte die Online-Aktivierung ein, und viele User hatten bestenfalls eine halblegale Version davon. Damit XP nun nicht dauernd nervte, daß es nicht aktiviert sei, schalteten die Leute die automatischen Updates aus oder installierten sich eine Firewall, die sämtliche Verbindungen ihres Computers zu Microsoft sperrte (andererseits aber prinzipiell nicht in der Lage war, tatsächliche Angriffe auf das System abzuwehren). So konnten sie "beruhigt" ihr vermeintlich sicheres Windows benutzen ("Meine Firewall hat mich heute schon drölfzig Mal vor Bedrohungen geschützt!"), und wenn sie dann auch noch unbedarft mit dem IE6 mit aktiviertem ActiveX surften, hatten die Malware-Programmierer leichtes Spiel. Linux spielte zu der Zeit auf dem Desktop kaum eine Rolle, ebenso wie Apple. Und Windows XP war damals definitiv eine löchrige Angelegenheit: lokale Dienste waren über das Internet frei erreichbar, die erste Version hatte keine integrierte Firewall, und die Tatsache, daß viele User sich für besonders clever hielten und wegen der Online-Aktivierung die automatischen Updates deaktiviert hatten, war für Cyberkriminelle natürlich ein gefundenes Fressen. Es dürfte damals zig Millionen angreifbare PCs gegeben haben, und ausgerechnet deren User gehörten meist noch zu den unbedarfteren. Schadsoftware ließen sie sich per Mail ebenso leicht unterjubeln wie per Website. Das führte natürlich dazu, daß sich die Programmieter von Viren und Trojanern hauptsächlich auf Windows stürzten. Andere Betriebssysteme mögen ähnliche Lücken gehabt haben, aber bei insgesamt wenigen angreifbaren Opfern lohnte sich der Aufwand nicht.

Heute sollte ein Windows "out of the box" mit UAC und Firewall nicht deutlich unsicherer sein als Mac OS X oder Linux, wobei Windows leider immer noch nicht Open Source ist und somit nicht, wie beispielsweise Linux, einer permanenten Beobachtung durch unabhängige Fachleute unterzogen werden kann. Fehlerquelle Nummer eins ist jetzt allerdings der User, nicht mehr das System selbst.

Mythos 5: Microsoft hat den Zug der Zeit verpaßt.

Nein. Das wurde immer wieder behauptet, und oft ist bei diesem Mythos der Wunsch der Vater des Gedankens. Natürlich erscheint vielen eine Welt ohne Microsoft als willkommene Vision. Aber so wie damals, als Microsoft den Beginn des Internet-Zeitalters komplett verpennt hatte und dann mit XP und IE6 den Markt vollkommen überraschend von hinten aufrollte, so wird auch heute, im Zeitalter von Cloud und Software as a Service, Microsoft wieder genug Atem besitzen (und vor allem eine gigantisch große Basis an Usern!), um auch den Übergang in diese Phase erfolgreich zu meistern. Ob einem das nun gefällt oder nicht.

Viel wichtiger ist mir persönlich in dem Zusammenhang, wie Microsoft meine persönlichen Daten behandelt. Ist meine Kommunikation per Skype vor der systematischen Schnüffelei der Geheimdienste sicher oder nicht? Sind meine Daten in OneDrive, OneNote und Office 365 geschützt und privat? Oder stöbert Microsoft (oder andere) doch darin herum? Momentan sieht es so aus, als wäre die Privatsphäre bei Microsoft auch nicht mehr Wert als bei Google, Facebook oder anderen amerikanischen Anbietern. Also speichere ich keine persönlichen Daten in OneDrive, wickle meine Kommunikation nicht per Skype ab und verwende auch OneNote nur für Dinge, die die Öffentlichkeit (oder Microsoft) gerne wissen darf. Meine Steuererklärung kommt da ebensowenig hin wie meine Urlaubsfotos. Microsoft Office 2010 hingegen verwende ich lieber als LibreOffice, aber das ist vermutlich eine Frage der Gewohnheit. Und Windows 8.1 finde ich nicht so schlecht wie seinen Ruf, auch wenn auf meinem Server Debian Linux läuft und auf einem zweiten Laptop PC-BSD installiert ist.

Ich gehe nicht davon aus, daß Microsoft am Ende ist. Ich vermute eher, daß wir noch ein paar Jahrzehnte damit leben müssen und auch können. Also, auf zum nächsten Jubiläum!